Wieso denn ausgerechnet Duisburg?
Schafe am Rheinufer |
Ein kleines Mädchen steht im kalten Dezemberregen und ist vollkommen verzweifelt. Sie möchte das große bunte Herz retten, das sie zuvor mit Kreide auf den Bürgersteig am Gartentor gemalt hat. Hilflos umkreist sie das Herz immer wieder, doch der Regen kennt kein Erbarmen. In der Dunkelheit bemerke ich erst jetzt, dass auch die Mutter am Gartenzaun steht. Bei Eiseskälte ohne Regenschutz im Dunkeln sind die beiden draußen. Sie sind hart im Nehmen, diese Duisburger. Respekt!, denke ich.
Wieso denn ausgerechnet Duisburg? Diese Frage wird mir grundsätzlich gestellt, wenn ich erzähle, dass ich vor ein paar Jahren aus dem Ausland hier zugezogen bin. Selbst Menschen, die eigentlich stolze Duisburger sind, wundern sich über die Wahl meines Wohnortes. Auch der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link fragte mich das einmal.
Wieso denn nicht Duisburg?, sollte ich eigentlich antworten. Würde mich jemand aus Paris oder New York auch fragen, wieso denn gerade Paris? oder wieso denn ausgerechnet New York? Wohl kaum.
Diese Frage zeigt das mangelnde Selbstbewusstsein der Duisburger, wenn es um ihre Stadt geht. Und das ist wirklich schade. Für mich ist Duisburg so vielfältig und spannend, dass ich mich einfach nicht sattsehen kann. Obwohl mein Neubeginn sich etwas holprig gestaltet hat, (s. a. Befristet), habe ich das Gefühl, angekommen zu sein. Eigentlich bin ich eine Nomadin, die gerne alles einpackt und anderswo wieder neu anfängt. Doch jetzt bin ich ziemlich sicher, dass ich hier nicht mehr weg will.
Aussicht vom Alsumer Berg |
Aussicht vom Alsumer Berg |
Die Duisburger wissen, dass ihre Stadt auswärts grundsätzlich mit Vorurteilen zu kämpfen hat. Dabei ist der Ruf nicht verdient. Soweit ich es überblicke, scheint es hier nicht mehr und nicht weniger gefährlich zu sein, als anderswo. Wie in allen großen Städten muss man eben auf sich aufpassen. Gibt es irgendwo auf der Welt eine Großstadt, wo man viel unternehmen kann, in der es jedoch keinerlei Risiko gibt? Wohl kaum.
Leider kann man Bundespolitiker nicht fernhalten, die für ein paar Stunden in Marxloh aufschlagen, nach dem Motto "wir kümmern uns" alles schlechtreden und dann wieder abreisen. Pech gehabt, Duisburg. Mal wieder schlechte Presse!
Besser bekannt und positiver besetzt ist Duisburg wohl bei Chinesen. Aufgrund der wirtschaftlichen Beziehungen im Zusammenhang mit dem Hafen werden jetzt vermutlich mehr chinesische Geschäftsleute nach Duisburg kommen. Wenn das für sie geplante Hotel im Businesspark Asterlagen steht, bringen sie vielleicht auch ihre Familien für einen kurzen Urlaub mit. Eine Busreise nach Schloss Neuschwanstein lässt sich auch von hier aus organisieren. So weit ist das eigentlich nicht, oder?
Zum Thema Vorurteile fällt mir noch ein anderer Aspekt ein: Wer noch nie hier war und die Stadt nur aus den Schimanski-Tatorten kennt, vermutet, dass hier alles grau in grau ist und dass man hier kaum atmen kann. Zwar fällt das Atmen im Winter manchmal schwer, wenn aufgrund der in Mode gekommenen mit Holz betriebenen Kaminheizungen viele Einfamilienhäuser zeitgleich einen Brandgeruch aus den Schornsteinen schleudern, aber ansonsten ist hier nichts verpestet. Und es ist grün! Fast überall.
Blick über den Rhein nach Schwelgern |
Eine weitere großartige Gelegenheit, die Stadt näher kennenzulernen, sind auch die Bürgerspaziergänge mit dem Oberbürgermeister. Sie finden im Rahmen einer Image-Kampagne für Duisburg statt. Die Kampagne soll einerseits den Tourismus ankurbeln und andererseits das Zusammengehörigkeitsgefühl der Duisburger und die Identifikation mit ihrer Stadt stärken.
Pumpwerk Alte Emscher |
Bild von Cyrus Overbeck, bevor es signiert und an die Stadt verschenkt wurde |
Vertreter der allgegenwärtigen Industriebetriebe geben bereitwillig Auskunft. Bezirksvertreter der jeweiligen Zielorte machen sich viel Mühe, ihren Stadtteil zu präsentieren. Fragen sind absolut willkommen.
Zunächst hatte ich Bedenken, dass es sich bei diesen Ausflügen um verkappte Wahlveranstaltungen für die SPD und Sören Link handeln könnte. Immerhin hatten wir in NRW 2017 nicht nur die Bundestagswahl, sondern auch die Landtagswahl und die Wahl für den Oberbürgermeister. Aber meine Skepsis erwies sich als absolut unbegründet. Sören Link und sein Team zeigten sich erstaunlich zugänglich für Probleme der Bürger.
Man kann in Duisburg regelrecht in Termindruck geraten, weil es so viele Freizeitangebote und Veranstaltungen gleichzeitig gibt. Irgendwo ist immer etwas zu bestaunen und vieles ist kostenlos. Highlights waren sicherlich die gigantische Sandburg im Landschaftspark Nord, der „Tag des offenen Denkmals“ und der künstliche Pottwal am Rheinufer (übrigens hat auch Duisburg einen Walhaiforscher!).
Auch Gemeindefeste der hier ansässigen Weltreligionen und kleinere öffentliche Angebote in den Stadtteilen sind einen Besuch wert.
Publikumsmagnet Tiger & Turtle - Allerdings eher bei schönem Wetter ... |
Wer mit einem Wohnmobil anreist, kann in Duisburg und Umgebung wochenlang Urlaub machen und wird am Ende immer noch nicht alles gesehen haben. Nicht nur das Zusammentreffen von Rhein und Ruhr, sondern auch die Seen in den verschiedenen Stadtteilen können Wasserfreunde begeistern.
Und was läuft nicht rund in Duisburg?
- Die Pünktlichkeit der Busse und Bahnen der DVG (und der NIAG im Verbund) lässt absolut zu wünschen übrig. Das ist vollkommen unprofessionell und treibt nicht nur Pendler in den Wahnsinn.
- Wer seinen Mut beweisen will, fährt mit dem Rad. Viele Radwege sind in grottenschlechtem Zustand und lebensgefährlich ist der Umgang der Duisburger Autofahrer mit Fahrradfahrern. Aber das lässt sich verbessern.
- Die Homberger Hubbrücke und die Treppe an der Friedrich-Ebert-Brücke in Ruhrort sind für Jogger, Spaziergänger und Radfahrer zeitweise bzw. dauerhaft gesperrt. Das senkt den Freizeitwert!
- Und: Es reimt sich eigentlich nichts auf Duisburg, so dass ich kein Gedicht auf die Stadt schreiben kann. Aber deshalb muss man den Namen nicht ändern.
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