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Veröffentlichte Bücher: "Life on the Line - The heroic story of Vicki Moore" von Matilda Mench und "Rettet den Gnadenhof" von D.L.M. Mench, sowie Gute-Nachtgeschichten für Kinder usw.

Donnerstag, 10. Mai 2018

Reflexionen zum Bürgerspaziergang in Duisburg-Marxloh


Was fällt einem zu Marxloh ein? Wer auf Reisen sagt, dass er aus Duisburg kommt, wird oft gefragt: "Aber nicht aus Marxloh, oder?" Der Bekannheitsgrad dieses Stadtteils ist groß und beruht auf zwei Säulen: der Brautmeile und der Kriminalität. 

Die Touristen kommen wegen der Brautmeile. Die Bundespolitiker kommen, um sich kurz in Marxloh fotografieren zu lassen und dann zu behaupten, sie setzten sich gegen Kriminalität ein. Dann sofort wieder ab in die Limousine, zurück zum Flughafen und das war es. 

Im April 2018 lädt Oberbürgermeister Sören Link zu seinem achten Bürgerspaziergang durch den "Problem-Stadtteil" ein. Im Rahmen der Image-Kampagne sollen interessierte Bürger "ein anderes" Marxloh kennenlernen, das auch schöne Ecken zu bieten hat. Das Interesse ist groß und dieses Mal schließen sich erfreulicherweise auch Bürger mit Migrationshintergrund und "alte Marxloher" an. Irgendwie sind sie noch stolz auf ihren Stadtteil, gleichzeitig jedoch über den jetzigen Zustand ihres Geburtsorts beunruhigt.
Marxloh ist grüner als erwartet
Marxloh ist grüner als erwartet

Der Weg führt durch eine Wohnsiedlung mit dem Namen "Im Stillen Winkel". Diese aufgeräumte und perfekt in Stand gehaltene, ziemlich in sich abgeschlossene Siedlung, würde man dort tatsächlich nicht vermuten. Marxloh ist auch viel grüner als man denkt und so geht es weiter zum Jubiläumshain, einem großen Park mit geräumigem Spielplatz.


Einige Programmpunkte weiter befinden wir uns endlich in der Ecke, die jeder mit dem Stadtteil assoziiert. Im Eingang eines großen Modegeschäfts wird dem Marxloher Bürgermeister ein Turban umgewickelt. 


Turban wickeln
Ein Turban braucht Zeit
Das dauert erstaunlich lange. Während der "Wartezeit" sprechen mich wiederholt Leute an, die wissen wollen, was es mit dem Menschenauflauf auf sich hat und ob sich darunter ein Promi befindet. Die meisten Menschen sind eher amüsiert darüber, dass zur Abwechslung einmal eine Gruppe einheimischer Touristen durch den Stadtteil geführt wird. Manche sind auch nur genervt, weil sie immer wieder "vorgeführt" werden. Für sie sind wir Gaffer. 

Ein älterer ehemaliger Drogenabhängiger erklärt mir, dass in Marxloh viele Menschen durch das soziale Netz fallen und sich von den Behörden allein gelassen fühlen. Die Gelegenheit, jetzt direkt mit dem Oberbürgermeister zu sprechen, nutzt er aber nicht.

Der nächste Stopp ist das älteste Brautmodengeschäft Marxlohs. Die Besitzer bewirten die von der Hitze erschöpften Gäste freundlich mit Mineralwasser. Endlich einmal kann man die Prinzessinnen-Kleider ganz von Nahem betrachten. Man traut sich sonst nicht in die Geschäfte hinein, weil es offensichtlich ist, dass man sowieso nichts kaufen wird. Wie oft kauft man schon ein Brautkleid? 

Brennende Fragen werden von den Verkäuferinnen geduldig beantwortet:

  • Werden die teuren Brautkleider nach der Hochzeit umgeändert und können somit noch einmal getragen werden? 

Nein, anscheinend werden sie ziemlich schnell in Online-Portalen zum Verkauf angeboten. 
OB Link im Brautmodengeschäft


  • Wie sieht es mit den langen Kleidern aus, die von den Verwandten der Braut getragen werden? 

Die werden durchaus öfter getragen, etwa im Theater, bei Konzerten und großen Familienfesten. 

Grundsätzlich werde es nicht gerne gesehen, wenn weibliche Gäste bei Hochzeiten und sonstigen wichtigen Feiern im "kleinen Schwarzen" oder Cocktailkleidern auftauchen. Gut zu wissen, falls man mal eingeladen wird.

Aus der glitzernden Welt der Brautmeile werden wir in eine Gegend mit viel Leerstand versetzt. Kinder verschiedener Nationalitäten spielen in der Nachmittagssonne auf der Straße. Es sieht eigentlich sehr friedlich aus. Einer der Väter spricht mich an.  Auch er wundert sich auch über die große Gruppe, die da durch die Straßen läuft. 

Ich erkläre ihm, dass man uns Marxlohs besseren Seite zeigen will. Der Leidensdruck des Mannes kommt deutlich zum Ausdruck, als er sagt: "Machen Sie Marxloh nicht schöner, als es ist. Jetzt sehen Sie nichts. Aber was hier wirklich passiert, sehen Sie abends in den Fernsehnachrichten." Was soll man darauf antworten? Dass sich in Marxloh viele Organisationen und Menschen ehrenamtlich um eine Verbesserung für die Bewohner bemühen, aber dass das alles Zeit braucht? Hätte das den Mann getröstet? Wohl kaum. Ratlos schweige ich und gehe weiter.

Parkplatz mit bunt bemalten Säulen
Parkplatzkunst