Über mich

Mein Bild
Veröffentlichte Bücher: "Life on the Line - The heroic story of Vicki Moore" von Matilda Mench und "Rettet den Gnadenhof" von D.L.M. Mench, sowie Gute-Nachtgeschichten für Kinder usw.

Sonntag, 29. Dezember 2019


Integration durch Mülltrennung?


Ende Oktober 2019 erreicht mich ein E-Mail mit dem Betreff „Take a walk with me“. Dahinter verbirgt sich die Einladung zu einem weiteren Bürgerspazierung mit Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link. Herr Link scheut den Kontakt zu Duisburger Bürgern nun wirklich nicht. Neben seiner Bürgersprechstunde kann man ihn in Kneipen, Wohnzimmern und bei den Rundgängen durch die Stadtteile treffen. Die Duisburger lieben diese gut organisierten Veranstaltungen, weshalb es sofort eine Warteliste gibt.

Nach dem berühmt-berüchtigten Marxloh soll es am 16.11.2019 durch ein
Auch das ist Hochfeld
weiteres „Problemviertel“ gehen, von dem man als Nicht-Duisburger oder neu zuziehende Person eigentlich nur den schlechten Ruf kennt: Hochfeld, der jüngste Stadtteil Duisburgs. Was soll es dort etwas Interessantes zu sehen geben? Wer googelt, bekommt nur abschreckende Angaben zu Hochfeld. Auch die Presse berichtet in der Regel nichts Erfreuliches. Der Fokus scheint auf Kriminalität zu liegen.

Rheinpark Duisburg (vor dem Abriss)
Der Treffpunkt liegt im Rheinpark. Auf der ehemaligen Industrieanlage gibt es neben viel grüner Wiese, auf der auch professionelle Hochzeitsfotos gemacht und Flohmärkte veranstaltet werden, eine Rheinpromenade mit Strand und  dem Restaurant Ziegenpeter, einen Platz für Skater und verfallende Industrieanlagen. Die müssen jetzt weg, denn auf dem Gelände soll ein Wohnviertel entstehen. Doch eigentlich geht es auch darum, dass Duisburg gemeinsam mit anderen Städten den Zuschlag für die Internationale Gartenschau IGA 2027 erhalten hat. Und die wird auch im Rheinpark stattfinden.

Deshalb soll am anderen Ende des Parks der so genannte Kultushafen zugeschüttet werden. Dagegen regt sich bereits Widerstand, denn das Gebiet ist ein kleines, aber feines Biotop. Warum es ausgerechnet einer Ausstellung, bei der es um Natur geht, weichen soll, entzieht sich der Logik.

Der Bürgerspaziergang führt weiter zur Grünanlage Grüner Ring, wo sich auch die Rudolf-Schock-Straße befindet. Wer sich noch an die vielen Musiksendungen und Spielfilme im damaligen schwarz-weiß Fernsehen erinnern kann, der wird vielleicht erstaunt sein, dass der bekannte Sänger in Duisburg geboren wurde. Ich hätte ihn eher in ein Gebiet verlegt, in dem Dirndl zur Alltagskleidung zählen.

Kletterbunker
Vorbei an einem zu einer Kletteranlage umfunktionierten Hochbunker geht es zu einem neuen Vorzeigeprojekt der Stadt. Das Blaue Haus ist ein Jugendzentrum, das die vielen Kinder und Jugendlichen, die aus dem Ausland in Duisburg aufschlagen, auffängt und begleitet. Früher bestand das Jugendzentrum aus abgewrackten Containern, jetzt bekommen die Betreiber endlich ein adäquates Gebäude mit professionellem Graffiti. Einer der Verantwortlichen schildert die beeindruckende Arbeit des Trägervereins und die Bürger dürfen Fragen stellen. Sie erfahren, dass neu zugezogene Kinder nicht selten über ein Jahr auf die Einschulung warten und überhaupt nicht verstehen, wie das neue Land funktioniert. Warum fragen wir eigentlich sonst nie nach, was Jugendhäuser so machen? Eigentlich könnte man ja einfach vorbeischauen und sich vielleicht sogar engagieren?

professionelles Graffiti
Jugendamtsleiter Hinrich Köpcke sieht sich unerwartet mit Fragen konfrontiert, die die beabsichtigte Kürzung von Fördergeldern in anderen „Problemvierteln“ an-sprechen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass das Blaue Haus, das auf dem Weg der Besucher der IGA 2027 liegt, eben besonders viel hermachen soll. Und deshalb soll das Haus nebenan, das seit Jahren leer steht, abgerissen werden. In Duisburg wird bekanntlich so manches Gebäude publikumswirksam gesprengt, aber hier wird wohl eher die gute alte Abrissbirne zum Einsatz kommen.

Soll weg

Auf dem Weg zum Brückenplatz sind erstaunlich viele teure Autos zu sehen. Wie passt denn das zu dem Stadtteil, in dem hohe Arbeitslosigkeit herrscht? Es ist eine Hochzeitsgesellschaft, die gerade aufbricht. Die Befürchtung einer Bürgerin bewahrheitet sich nicht: Es wird nicht in die Luft geballert und der Korso hält brav an einer roten Ampel.




Ein großes Herz in Pink verziert die Mauer hinter einem Brunnen auf dem Brückenplatz. Angeblich befindet sich darunter ein Hakenkreuz, das ruckzuck in Eigeninitiative der Stadtteilbewohner beseitigt wurde.
Herz statt Hakenkreuz

Ein Mitarbeiter der Abfallbeseitigung klagt der Bürgerguppe sein Leid. Der Zufluss von Menschen mit Migrationshintergrund in den Stadtteil ist ungebrochen. Nicht nur, dass viele von geldgierigen Vermietern ausgenutzt würden. Man könne die Menschen auch nicht durch Arbeit integrieren, weil es keine Arbeit mehr gäbe. Die Mülltrennung sei ein enormes Problem. Man versuche, die Neubürger dafür zu sensibilisieren. Integration durch Mülltrennung?, frage ich mich.

Der Vortrag wird jäh unterbrochen, als ein kleiner schwarzer Junge angerannt kommt und den ehemaligen Baudezernenten Carsten Tum anspricht: „Bist du der Bürgermeister?“ Der verneint und bringt ihn zu Sören Link, der sich dem Kind vorstellt. Er findet heraus, dass der Junge gerne Sport treiben würde, es sich aber nicht leisten kann. Auch hier erstaunt wieder einmal, dass sich der Oberbürgermeister mit vielen Belangen der Bürger gut auskennt. Er empfiehlt dem Jungen einen Antrag beim Stadtsportbund zu stellen, damit er ein ganzes Jahr umsonst in einem Verein Sport machen kann. Er soll in der Schule fragen, wo es die Anträge gibt. Mit großen Augen hört der Junge zu. Eine Teilnehmerin schreibt ihm sicherheitshalber das Wort „Stadtsportbund“ auf, damit er den Zettel seiner Lehrerin geben kann. 

Der nächste Stopp ist der „Citywohnpark“. Dort sollen nach Angaben der städtischen Wohnbaugesellschaft GEBAG 1.200 Menschen aus 60-70 Nationen wohnen. Es ist eine der größten Wohnanlagen Duisburgs, die jetzt renoviert werden soll. Eigentlich hätte man aufgrund des vorangehenden Vortrags mit Müllbergen rechnen können, doch nein, es ist sehr sauber. Die Siedlung wirkt annehmlicher und kompakter als die Hochhäuser in Duisburg-Hochheide.


Sören Link mit Hochfelder Kindern
Kinder suchen den Kontakt zum Oberbürgermeister, während die Besucher sich das kleine Lokal anschauen, in dem die Anwohner einen günstigen und gesunden Mittagstisch organisieren. Man möchte mehr wissen, über das Zusammenleben und den Alltag der Bewohner, doch die Zeit drängt.


Kein Bürgerspaziergang ohne einen kulinarischen Abschluss. Der findet dieses Mal in der Krümelküche.statt. In dem kleinen Café-Restaurant, in dem kein Möbelstück und keine Kaffeetasse zur anderen passt, wird veganes Gebäck angeboten, das Sören Link, der sich eher als Fleischesser outet, ausdrücklich empfiehlt. Zwar skeptisch, aber gespannt, greifen alle zu und scheinen äußerst zufrieden. Der Besitzer hebt hervor, dass es ihm wichtig ist, aufzuzeigen, dass der schlechte Ruf des Stadtteils eher unbegründet ist. Ein Bürgerspaziergang wird die Vorurteile nicht ausradieren können, aber ein Anfang scheint gemacht.